WERDE ICH JETZT VERRÜCKT?

19.02.2013 15:19

 

Vor ein paar Tagen rief mich mein Lieblings-Bruder an.

Er absolvierte gerade seinen Tagesurlaub, den ihm das Krankenhaus, in welchem er zurzeit liegt, genehmigt hatte.

Wir redeten über Gott und die Welt. Auch über meine Antje.

Darüber, wie ich mit meiner Trauer umgehe.

 

Dann räusperte sich mein Bruderherz mehrmals am Telefon. Fragte mich, ob ich ihn gut verstehen könnte. Am Hörer.

Erzählte mir dann  bissel was vom neuesten Stand seiner mir bereits bekannten Krankheit, die ihn vor Jahren aus der Lebenskurve und mitten aus seinem sehr aktiven Arbeitsleben geschubst hatte.

Narkolepsie nennt man diese Krankheit.

Da geht einem am Tag plötzlich das Licht aus.

Man schläft ein. Rücksichtsloser Schlaf sozusagen. Egal wo und was man grad tut.

 

Mein Bruder ist ein genialer Handwerker, der gern bastelte und rumwerkelte.

Sein Traumhaus selber gebaut hat.

Mit Sägen, scharfen Messern und rotierenden Teilen war es ab da vorbei.

Auch kein Ruder mehr in der Hand halten zu dürfen (und sei es nur das Autolenkrad), das musste verkraftet werden. Und DAS hatte er prima gemacht.

 

Nun dieses Rumgedruckse … „Na los, sag schon, mein Großer“ … ermunterte ich ihn.

 

„Vergisst du in letzter Zeit viel?“ … erkundigte er sich.

Ich grübelte kurz und sagte: „Na ja, ab und an bin ich schon mal bissel schusselig. Im schweren Jahr 2012 ja auch kein Wunder?!“

 

Kurze Pause am Telefon.

 

Dann kam es aus ihm heraus gesprudelt.

Sein Arzt habe mit ihm gesprochen. Dass er wahrscheinlich an Alzheimer leide.

Mein Bruder hätte auch schon meine anderen Geschwistern interviewt.

Und beide hätten ihm bestätigt, dass auch sie arge Probleme mit dem Gedächtnis hätten …

 

Wieder Stille … im Telefonhörer hörte ich nur seine Atemgeräusche.

 

„Bist du noch dran?“ hinterfragte ich nach einer gefühlten Ewigkeit seine Anwesenheit.

 

„Jaaa!“ vernahm ich seine Antwort. Die Stimme klang erleichtert.

Er wollte mich schonen. Aus Rücksicht wegen dem Verlust meiner Liebsten.

Aber das Leben lebt sich selbst. Ist nicht aufzuhalten. Von keinem.

 

Ich erzählte ihm dann, was ich in letzter Zeit alles „mit“ Antje erlebt habe.

Von den flackernden Kerzen, von den vielen plötzlich zerberstenden Halogen-Lampen, Sammys Gebell in leere Zimmer-Ecken, Antjes spürbare Duftfahnen, verrückt spielendes Hausflurlicht, selbst angehende Radios, und … und … und.

 

„Glaube mir“ … sagte ich zum Abschied zu  ihm … „Verrückt bin ich schon!“ … und lachend fügte ich hinzu: „Da kann mir auch Alzheimer nicht mehr viel antun!“